Commercial Communities: ‘Was ist der Fall’ und ‘Was steckt dahinter’

Eine wissenschaftliche Tagung

Tagung der AG Konsumsoziologie (Org. Kai-Uwe Hellmann)

Ort: Senatssaal, Hauptgebäude der TU Berlin

Zeit: 30. und 31. Oktober 2008

(siehe ausführliche Ankündigung)

Wer die Berichterstattung im Wirtschafts- oder Feuilletonteil überregionaler Zeitungen, vom Internet und entsprechenden Fachpublikationen ganz zu schweigen, im Laufe der letzten Jahre aufmerksam verfolgt hat, wird früher oder später davon Kenntnis erhalten haben, daß eine große Welle posttraditionaler Gemeinschaften auf uns zurollt.

Angefacht vor allem durch den Hype um das Web 2.0, den Tim O’Reilly 2004 ausgelöst hat, regt sich allerorts das Interesse und Bestreben, neue Geschäftsmodelle nicht mehr ohne Verweis auf entsprechende Kundennetzwerke, sogenannte “Communities”, auf den Markt zu bringen. Und selbst längst etablierte Unternehmen und Geschäftsmodelle beginnen, ihre Wettbewerbsfähigkeit immer öfters dadurch unter Beweis zu stellen, daß sie entsprechende “Communities” vorweisen können oder demnächst aufbauen werden. Die neue Vision lautet: Nicht mehr nur vereinzelte Kunden, sondern vernetzte Kunden sind die zentrale Basis für den Geschäftserfolg, und “Community” avanciert zum Zauberwort (“Buzzword”) dieser Debatte.

Besonders zweierlei fällt dabei auf. Erstens weisen die meisten dieser neuen “Communities” eine auffällige Nähe zum Kommerziellen auf. Entweder sind sie durch Anregung und tatkräftige Unterstützung von Unternehmen ins Leben gerufen worden (“corporate generated”), oder sie haben sich mit Bezug auf bestimmte kommerzielle oder noch zu kommerzialisierende Angebote, Plattformen oder Unternehmen selbst gegründet (“user generated”).

Zweitens hat sich die Aufmerksamkeit von der Frage, ob und wofür solche “Communities” bedeutsam sind, zu der Frage verschoben, wie man solche “Communities” aufbauen oder für sich nutzen kann, wobei der Umstand gesondert in Rechnung gestellt wird, daß solche “Communities”, wenn sie denn existieren, insbesondere als “user generated”, eine beträchtliche Selbständigkeit besitzen.

Man kann die Häufung dieser Terminologie in den verschiedensten Themenfeldern sicher auch als bloße Sprachmode abtun, als die schlichte Indienstnahme eines Wortes, das völlig austauschbar ist, weil es gar nichts bezeichnen, weil es gar nicht die Funktion erfüllen soll, etwas Konkretes zu bezeichnen, sondern nur mediale Aufmerksamkeit mobilisieren soll. Eine reine Marketingmasche sozusagen. Sollte dies vorwiegend der Fall sein, würde es sich freilich kaum lohnen, diese Entwicklung weiter zu verfolgen und zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Tagung zu machen.

Die Tagung “Commercial Communities” wird mit der Vorstellung und Diskussion der Klassiker (Tönnies, Plessner, König etc.) beginnen, um sich dann schrittweise einzelnen Facetten dieses Phänomens zuzuwenden, wie “Brand Communities”, “Commercial Communities”, “Media Communities”, “Online Communities”, “Virtual “Communities” oder auch “Produktionsgemeinschaften”, um die Wenger-Debatte nicht ganz aus den Augen zu verlieren.

Ziel der Tagung ist es, am Ende und dann bei der Bearbeitung der Beiträge für einen entsprechend konzipierten Tagungsband eine Art Zwischenbilanz zu ziehen, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Es geht nicht bloß um die Aktualitätsfrage bei Tönnies, sondern auch um die Einschätzung der laufenden “Community”-Forschung; es soll mit einfließen, daß wir gerade in den USA seit bald zwanzig Jahren eine Krisenliteratur (Etzioni, Putnam etc.) haben, die sich zentral auf das “Community”-Phänomen konzentriert; es soll mit abgeglichen werden, was im Offline-, was im Online-Bereich passiert und inwieweit diese Debatten und Prozesse vergleichbare Phänomene betreffen; und es soll ferner versucht werden, eine entsprechende Zeitdiagnose zu leisten, soweit es die “Community”-Problematik betrifft, nach dem Motto: “Was ist der Fall” und “Was steht uns bevor?”