Konsum als Fluchtpunkt von Distinktion und Massenkultur

Plenum beim 32. Kongress der DGS “Soziale Ungleichheit – kulturelle Unterschiede” vom 4.-8. Oktober 2004 in München

5.10.2004, 11.00-12.45 Uhr

Soziale Ungleichheit lässt sich in modernen Gesellschaften kaum noch auf rein ökonomische Erklärungsfaktoren zurückführen. Soziale Ungleichheit, etwa bei Bourdieu, erweist sich zunehmend als ein Ensemble äußerst feiner Unterschiede, die sich in ihrer Gesamtheit am ehesten als kulturelle Differenzen beschreiben lassen. Mit Max Weber könnte man auch sagen: Nicht mehr bloß die soziale Lage, sondern der jeweilige Stil der eigenen Lebensführung steht wieder im Mittelpunkt der Diskussion, und diese berührt mehr und mehr konsumsoziologische Problemstellungen. Denn gerade über den Konsum und die Signifikanz und Symbolik bestimmter Konsumgüter kann ein erfolgreicher und zurechnungssicherer Distinktionseffekt erreicht werden.
Auch in der Kultursoziologie ist ein wachsendes Interesse an konsumsoziologischen Fragestellungen zu beobachten. Hintergrund ist dabei, dass neben der Beschäftigung mit den Künsten im weiteren Sinn (bildende Kunst, Literatur, Musik) und den sie tragenden Institutionen verstärkt die moderne Massen- bzw. Populärkultur als kultursoziologischer Forschungsbereich entdeckt wird, der mit den an hochkulturellen Kulturformen entwickelten Konzepten nicht adäquat erfasst wird. Aus dem medialen Massenpublikum und der marktförmigen Verfügbarkeit von Kulturgütern resultieren im Vergleich zur Kunstrezeption viel unverbindlichere und dennoch maßgebliche Aneignungsweisen von Kultur, die auf diese selbst rückwirken. Der Konsum, so eine wichtige Konsequenz dieser Perspektivverschiebung, ist unter diesen Bedingungen ein wesentliches Kennzeichen nahezu aller Kulturphänomene und verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit.
Das Thema “Konsum” hat somit für die Ungleichheitsforschung wie für Kultursoziologie an Bedeutung massiv gewonnen. Ziel des Plenums ist einerseits, das Konsumthema mit Blick auf die Ungleichheitsforschung als einen dominanten Differenzierungsfaktor herauszustellen, wofür die Kultursoziologie wichtige Beiträge liefern kann. Andererseits können kultursoziologische Forschungen – etwa Analysen der Produktion und Rezeption von Bedeutungen in der Massen- bzw. Populärkultur – von der durch die Ungleichheitsforschung erarbeiteten Differenzierungstableaus profitieren. Schließlich soll die Zusammenschau beider Perspektiven dazu anregen, die vielfach beobachtete zentrale Bedeutung des Konsums in modernen Gesellschaften auch gesellschaftstheoretisch aufzunehmen und Konsum als ein Konzept zu diskutieren, mit Hilfe dessen die Struktur moderner Gesellschaften angemessener erfasst werden kann.

Programm

Mike Featherstone (Nottingham): (Absage)
Consumer Culture and Postmodernism – revisited

Heinz-Herbert Noll und Stefan Weick (Mannheim):
Strukturen des privaten Verbrauchs in Deutschland. Ungleichheiten und temporärer Wandel

Andreas Reckwitz (Hamburg/Frankfurt/O.):
Das Konsumsubjekt in der Kultur der Moderne

Matthias Zick Varul (Tübingen) (Absage)
Konsum als Demonstration und Legitimation von Ungleichheit: Thorstein Veblen als Klassiker der Konsumsoziologie