Konsum als Vermittler

“Konsum als Vermittler globaler und lokaler Entwicklungen: Mittelschichten im globalen Süden, Digitalisierung und andere aktuelle Fälle. Nachwuchsforum Konsumsoziologie”
Ad Hoc-Gruppe beim Soziologie-Kongress in Göttingen

Organisation: Marianne Heinze, Anne-Kathrin Hoklas, Marius Meinhof, Dominik Schrage

Donnerstag, 27.09.2018: 14:15 – 17:00 Uhr, Raum VG 1.108

Gesellschaftliche Umbrüche und globale Entwicklungen manifestieren sich nicht nur häufig in veränderten Konsumaspirationen und/oder -gewohnheiten größerer Gruppen, diese können auch lokale soziale Dynamiken entfalten, die solchen globalen Trends erst ihre Tragfähigkeit verleihen: Dies zeigt sich einerseits an den aufsteigenden Mittelschichten in Schwellenländern (z.B. Brasilien, China etc.), aber auch schon an der ‚Studentenbewegung‘ der 1960er und 1970er Jahre, die erst dann zu einer ‚Kulturrevolution‘ wurde, als ihre charakteristischen Konsumgüter (Schallplatten, Kleidermode, Ernährung, Individualreisen) und zunächst provokativen Konsumstile sich über Milieugrenzen hinweg verbreiteten. Das Bewusstsein, an einer globalen Entwicklung mittels Konsum vor Ort teilzuhaben, scheint in beiden Fällen relevant. Lange Zeit schien ein globaler, aber auf ein primär westliches Mittelschichtpublikum zugeschnittener Konsumgütermarkt und globale, aber ebenfalls auf dieses fokussierte Massenmedien die materielle und symbolische Rahmung dieses Konsum abzugeben. Dieses Modell scheint derzeit in zwei Hinsichten fraglich zu werden: Neben dem erwähnten und vielfach schwierigen Aufstieg von Mittelschichten im globalen Süden ist es die Digitalisierung des Konsums, die die Landschaft tiefgreifend transformiert: Die one-tomany-Struktur der Massenmedien weicht zunehmend den Netzwerkstrukturen der social media, in denen neben menschlichen Akteuren Algorithmen in die (nicht mehr immer als solche erkennbare) werbliche Kommunikation eingebunden sind. Diese Vernetzung, die einen Austausch an Information über die Verfügbarkeit bestimmter Waren befördert, bringt zugleich Informationen über die sozialen und ökologischen Bedingungen ihrer Produktion ‚näher‘ an die KonsumentIn, die im globalen Norden verstärkt in einen politischen Diskurs um Verantwortungszurechnung eingebunden wird.
Konsum erscheint so als eines der Themenfelder, an dem das Kongressthema, der Wandel und die Verflochtenheit unterschiedlicher räumlicher und zeitlicher Ebenen, exemplarisch ausgeleuchtet werden kann.
Die Ad hoc-Gruppe ist primär als ein Forum zur Präsentation laufender und geplanter Arbeiten jüngerer Forscherinnen und Forscher konzipiert (Dissertationen oder Habilitationsschriften). Ziel ist es, sich über neue Entwicklungen im globalen und digitalen Konsum sowie in der Konsumsoziologie auszutauschen, wobei sowohl theoretische Referenzkonzepte als auch methodische Zugänge interessieren.
Programm

Wegen des großen Interesses an der Ad hoc-Gruppe werden nur kurze Impulsreferate vorgetragen, zur Vorbereitung können hier auf dieser Seite ausführlichere Paper heruntergeladen werden. Die Kurz-Abstracts der Beiträge können auf der Konferenzseite abgerufen werden.

0. Einführung durch die OrganisatorInnen

1. Soziale Milieus und Konsumformen im Wandel

  • Florian Stoll (Bayreuth): Mittelschicht-Milieus, Konsum und „totemische“ Objekte im urbanen Kenia
  • Aris Harkat (Berlin): Algerien und die gesellschaftlichen Folgen von Massenkonsum
  • Darja Klingenberg (Frankfurt/Main): Der Materialismus migrantischer Mittelschichten. Vom Anspruch auf „normalen Lebensstandard“ und dem Vorwurf der Wirtschaftsmigration

2. Konstruktion von Konsumentenbildern

  • Antonia L. Krummheuer (Aalborg): Die Konstruktion des Kunden im Spannungsfeld von Dis/ability und Un/abhängigkeit – ein ethnomethodologische Perspektive auf assistierte Einkaufsinteraktionen
  • Marianne Heinze (Dresden, Berlin): Verantwortung tragen – Schlaglichter auf die gegenwärtige Debatte um nachhaltigen Konsum
  • Stefanie Strulik (Genf): “A Cool Dude Has Cash, Bike, Iphone and a Girl“. Muslim Middle Class and Dating in Lucknow

3. Rahmungen von Konsumakten – Inszenierung, Digitalisierung, Zeitlichkeit

  • Marius Meinhof (Bielefeld): Wählen als situiert hervorgebrachte Aktivität
  • Paul Eisewicht (Dortmund): Die Transformation des Konsumhandelns in medientechnischen Rahmen – zur Digitalisierung von Konsum
  • Anne-Kathrin Hoklas (Dresden): Nostalgischer Konsum im digitalen Zeitalter

4. Austausch und Diskussion