Konsumieren ver(un)sichert! Stabilisierung durch Konsum – und ihre Grenzen

Veranstaltung der AG Konsumsoziologie am 14.10.2008 beim Soziologiekongress in Jena (6.-10.9.08)

Spätestens seit dem 2. Weltkrieg ist in den Industrienationen der Konsum von Gütern und Dienstleistungen aller Art zu einer stabilen Größe geworden. Durch beträchtliche Einkommens-steigerungen, massenmediale Werbung und die ubiquitäre Verbreitung des Massenkonsums über alle Schichten hinweg sorgt Konsum längst nicht mehr dafür, nur das schlichte physische Überleben eines Großteils der Bevölkerung zu sichern. Vielmehr trägt der heutige Konsum massiv dazu bei, die eigene Lebensführung zu strukturieren, die persönliche und soziale Identi-tät aufzuwerten und Orientierung, Inspiration, ja Salvation zu verheißen.

So läßt sich schon in der US-amerikanischen Diskussion der 1950er und 60er Jahre beobachten, daß die Angehörigen der neuen Mittelschichten den Erwerb und Gebrauch von Konsumgütern auch als eine Art von Versicherung gegen die Risiken hochgradig mobiler und kontingenter Lebensumstände ansahen. Sie konsumierten nicht zuletzt in der Hoffnung, dadurch die eigene Lebenslage festigen und verstetigen zu können. David Riesman und Howard Roseborough sprachen sogar von einem „Standardpaket“ gewisser Konsumgüter, das jedem US-Bürger zur Verfügung stand und Sicherheit in unsicheren Zeiten vermittelte. Insofern impliziert der moder-ne Konsum immer auch eine spezifische Versicherungsleistung, sofern es um die Stabilisierung von Erwartungen geht, die man an sich und seine Lebensführung richtet.

Zugleich jedoch gilt auch: Konsum verunsichert erheblich oder kann zumindest doch dazu führen. Immerhin gibt es kaum einen Markt, die gänzlich frei ist von Moden, von ständigen Innovationszyklen, von schnellebigen Neuerungen, die alles Gegebene als altmodisch disqua-lifizieren und aus dem Verkehr drängen. Der Orientierung am Konsum folgt gewissermaßen die Abhängigkeit vom Konsum. Gerade der Konsum, betrachtet man seine Formen und nicht das Medium, bewirkt Verunsicherung, forciert Wechselbereitschaft, Austauschbarkeit, Insta-bilität. Alles ändert sich, beschleunigt sich, und wer nicht rechtzeitig aufs richtige Pferd setzt, bleibt außen vor und wird exkludiert. Inklusion und Exklusion, Stabilisierung und Destabili-sierung liegen beim Konsum somit sehr nahe beieinander.

Die hier angekündigte Veranstaltung geht der Frage nach, welche Bedeutungen dem Konsum in „unsicheren Zeiten“ zukommen. Hilfe bei der Lebensplanung, die Funktion der Stabilisie-rung gewisser Elemente der eigenen Lebensführung wäre eine Antwort. Gleichzeitig jedoch birgt der Konsum auch ein ungeheures Destabilisierungspotential. Beides gilt es in Rechnung zu stellen. Gerahmt von einer Einführung durch Kai-Uwe Hellmann und abschließende Bemerkungen durch Dominik Schrage gibt es drei Vorträge von Thomas Kühn & Kay-Volker Koschel, Jana Rückert-John und Florian Heßdörfer.